SCHWARZE SONNE ein Drehbuch von Felix Mennen (nach dem gleichnamigen Roman von Felix Mennen, erschienen im Salis Verlag, Zürich, 2012) AUSZUG (Anfang) AUFBLENDE 01. PARK -----------------------------------------------------------------A / T PARALLELMONTAGE PARKWIESE / S-BAHNUNTERFÜHRUNG: AUF DER PARKWIESE: schwebt eine Frisbeescheibe glitzernd durch die Strahlen der tief stehenden Sonne. AM AUSGANG/EINGANG ZUR S-BAHNUNTERFÜHRUNG: So, dass er die Szenerie auf der Parkwiese beobachten kann, steht der Straßenmusiker CLEMENS (Mitte 30) am Eingang der Unterführung. Wir sehen jedoch vor allem seine Hände, wie sie über das Griffbrett seiner Akustikgitarre wandern. Er spielt einen melancholischen Flamenco, der vom Tempo langsam anzieht und die Szene, die sich hinter der Unterführung im Park abspielt, musikalisch begeleitet. PARKWIESE: Ein schöner Frühlingsmorgen. Es ist noch nicht viel los im Park. Die Frisbeescheibe schwebt langsam durch die Luft auf einen Jungen, TOBI (14 Jahre), zu. Er trabt ein paar Schritte nach hinten, langsam senkt sich die Scheibe, und geschmeidig springt der Junge nun aus dem Rückwärtslauf ab, um sich die Frisbee lässig aus der Luft zu pflücken. Die Füße wieder auf dem Boden, sieht Tobi verstohlen zu der DUNKELHAARIGEN SCHÖNHEIT (Maria Santana, Mitte 20, mit Pagenschnitt á la Amelie), die die Wiese weiter runter, zum Fluss hin in der Sonne badet. Doch sie nimmt keinerlei Notiz von ihm. S-BAHNUNTERFÜHRUNG: Clemens’ Hände wandern geschmeidig über die Saiten der Gitarre. PARKWIESE: Mit Tobi blicken wir uns im Park um: Oberhalb der Wiese schiebt eine ZIERLICHE HELLBLONDE FRAU (Kiesling – noch nicht zu erkennen!) langsam in ein Buch vertieft einen großen Kinderwagen durch den Park. Auf dem selben Weg sitzt ein MANN (Luca Rote – noch nicht zu erkennen!) in einem schicken dunklen Jackett auf einer der Bänke zwischen den Bäumen am Wegrand. Auf seinen Oberschenkeln ist ein Laptop aufgeklappt, in das er in Gedanken versunken tippt. Die Promenadeam Fluss entlang trottet ein UNTERSETZTER MANN (HAJO, 40, ein Bewohner desBehindertenheims), den Kopf auf den Boden gerichtet, wie ein kleines Kind den Weg entlang, biegt nun auf die Wiese, bleibt einen Moment vor der Sonnenbadenden stehen (fragt sie nach einer Zigarette) und trottet weiter, die Wiese herauf, zwischen Tobi und MALTE (14 Jahre, Kumpel und Frisbeespielpartner von Tobi) durch, und zielstrebig auf den Mann auf der Bank zu, der sich gerade eine Zigarette ansteckt. S-BAHNUNTERFÜHRUNG: Clemens’ Hände wandern über die Gitarrensaiten, er zieht plötzlich das Tempi an. PARKWIESE: Tobi schleudert die Scheibe zurück und sieht wieder zu der Sonnenbadenden: Sie hat dichtes schwarzes Haar, lange dunkelbraune Glieder, die in türkisfarbener Unterwäsche stecken (von weitem könnte es auch ein Badeanzug sein). Ihr Anblick erregt den vierzehnjährigen Jungen. S-BAHNUNTERFÜHRUNG: Clemens’ Hände fliegen über die Gitarrensaiten. PARKWIESE: Die Frisbee segelt auf Malte zu, der nun wie ein Torero der Scheibe im letzten Moment ausweicht, sie packt und mit einer Drehung um die eigene Achse gleich wieder zurückschleudert – der Wurf misslingt: Die Frisbee segelt in einem Bogen an Tobi vorbei und genau auf die Schöne am Ufer zu. Tobi setzt seinen schlaksigen Glieder in Bewegung, rennt der Scheibe hinterher. Doch die Frisbee senkt sich bereits, streift langsam übers Gras, um dann, ganz sanft, genau auf dem ausgestreckten Arm der Sonnebandenden zu landen. In dem Moment hat Tobi die Scheibe eingeholt. TOBIDie Frau reagiert nicht. Sie liegt so reglos da, wie die Frisbee auf ihrem Arm. S-BAHNUNTERFÜHRUNG: Clemens’ Hände wandern über die Gitarrensaiten, sein Spiel wird wieder ruhig, begleitet die sehnsüchtigen Blicke des Jungen sanft und verführerisch... PARKWIESE: Tobi betracht die Sonnenbadende zu seinen Füßen: Sie liegt dort einfach so im Gras. Ihre Augen sind von einer schwarzen Sonnenbrille bedeckt. Ihr Mund ist leicht geöffnet. Sie hat volle dunkelrote Lippen, deren Mundwinkeln einen kleinen Schlenker nach oben machen. Ihr Haaransatz ist tief, wächst fast mit den dichten schwarzen Augenbrauen zusammen. Es handelt sich um eine Frau mit indianischen Wurzeln. Die Augen des Jungen wandern ihren schlanken Hals herab, über ihre dunkle, fast bronzenfarbene Haut, die Träger ihrer Unterwäsche entlang, über den glitzernden türkisfarbenen Stoff, über die sanfte Wölbung ihres Busens, den Slip, der sich über ihre Scham spannt – ihre langen bronzefarbenen Schenkel freigibt. S-BAHNUNTERFÜHRUNG: Clemens’ Hände gleiten beinah zärtlich über die Gitarrensaiten, sein Spiel dringt direkt an Tobis Ohr... PARKWIESE: Tobi steht da wie angewurzelt, blickt auf die Frau... MALTEMalte steht plötzlich grinsend neben Tobi, reißt seinen Kumpel aus dessen Betrachtung. Tobi zuckt mit den Schultern. TOBI MALTEMalte greift nach der Frisbee auf ihrem Arm. Die Frau zeigt noch immer keine Reaktion. Er kommt wieder hoch. Die Jungs sehen sich unsicher an. Malte beugt sich erneut zu der Frau runter, wischt mit einer Hand vor ihren Augen. MALTEDie Frau reagiert immer noch nicht. S-BAHNUNTERFÜHRUNG: Clemens’ Hände wandern über die Gitarrensaiten, sein Spiel wird dramatischer, immer bedrohlicher... PARKWIESE: Malte sieht ratlos zu Tobi, der inzwischen langsam um die Frau herum geschlichen ist, vor ihren Füßen steht und angeekelt zwischen ihre Beine starrt: Ihr Schlüpfer ist blutig. TOBIIm selben Moment fasst Malte nach der Sonnenbrille der Frau, hebt sie vorsichtig von ihrer Nase. Entsetzt starren die Jungs in ihre reglosen dunkelbraunen Augen. Ein aufgescheuchter Käfer krabbelt aus ihrem rechten Nasenloch. Tobis Magen krampft sich zusammen. Malte schreit. S-BAHNUNTERFÜHRUNG: Im selben Moment reißt eine Saite auf Clemens’ Gitarre. 02. WOHNUNG FRANK ----------------------------------------------------I / T Wie von dem Schrei geweckt, schreckt Kommissar CARL BANUSCHA (Anfang 40) aus dem Schlaf. Eine Haarsträhne klebt feucht auf seiner Stirn, er wischt sie nach hinten. Seine Gesichtshälfte, auf der er gelegen hat, ist nass geschwitzt. Er streicht mit seinen Fingern wie mit einem Kamm durch das kurze nasse Haar an den Seiten, wischt den Schweiß in den Nacken, betrachtet seine schweißglänzenden Fingerkuppen. Benommen sieht sich Banuscha in Franks großem hellen WOHNZIMMER um. Er liegt dort unter einer braunen Wolldecke auf der Couch – nackt, wie er jetzt sieht, als er die Decke zurückschlägt. Mühsam richtet er sich auf, starrt benommen auf den Beistelltisch, auf dem eine leere Weinflasche steht, ein leeres Rotweinglas. Dort liegt auch sein Portemonnaie aufgeschlagen, mit dem Foto einer attraktiven indianischen Schönheit (seine Frau Anna). Er betrachtet das Foto wehmütig, streicht liebevoll mit dem Finger darüber, murmelt. BANUSCHAPlötzlich durchzuckt ihn ein Schmerz. FLASHBACK: 03. WOHNUNG BANUSCHA -----------------------------------------------I / T Vor zwei Wochen, morgens. Fertig angezogen steht Banuscha mit einer gepackten Tasche traurig und ernst dreinblickend in der KÜCHE vor ANNA (35, sie sieht aus wie eine reife, ältere Ausgabe der Toten, Maria Santana, ist aber vom Stil und mit ihren langen Haaren nicht als diese zu erkennen), die noch im Nachthemd ist. BANUSCHAAnna nickt, mit Tränen in den Augen – doch sie hält ihn nicht zurück. 04. WOHNUNG FRANK ----------------------------------------------------I / T Banuscha sitzt mit einem Klos im Hals da, atmet tief durch, blickt zu der Schachtel Zigaretten vor ihm auf dem Beistelltisch, greift danach, steckt sich eine an, inhaliert tief und bekommt einen fürchterlichen Hustenanfall – als ob er noch nie oder seit langem keine mehr geraucht hätte. Hustend drückt er die Zigarette aus, steht auf und wankt ins... ...BAD. Dort betrachtet Banuscha sein Gesicht im Spiegel, irgend etwas irritiert ihn, er beugt sich näher an den Spiegel, seine Nase ist geschwollen. Er will gerade daran fassen, als plötzlich eine Tür zuschlägt. Der Kommissar wendet sein Gesicht vom Spiegel ab, tritt aus dem Bad, ruft in den FLUR: BANUSCHAKeine Reaktion. Er läuft zurück ins WOHNZIMMER. Die Balkontür steht offen. Banuscha tritt hinaus. 05. WHG. FRANK / BALKON / KRAUSNICKSTRASSE ------------------------A / T Banuscha blickt nach gegenüber zum NACHBARHAUS auf der Ecke in der Krausnick Straße 11: Dort ist vis à vis die Silhouette eines MANNES (Luca Rote – noch nicht zu erkennen!) zu erkennen, der am Schreibtisch vor einen aufgeklappten Laptop sitzt und in Gedanken versunken tippt. Da fängt Banuschas Handy auf dem Beistelltisch im Wohnzimmer an zu plärren: „Novocaine for the Soul“ von den „Eels“. FLASHBACK: 06. WOHNUNG BANUSCHA -----------------------------------------------I / T Vor vier Wochen. Banuscha und Anna sitzen schweigend beim Abendessen im WOHNZIMMER, als Banuschas Handy anfängt, „Novocaine for the Soul“ von den „Eels“ auf dem Beistelltisch vor der Sitzcouch zu plärren. Anna verzieht fragend das Gesicht. ANNA BANUSCHABanuscha steht auf und geht zu seinem Handy, bevor er rangeht, sieht er lächelnd zu Anna. BANUSCHADoch Anna verzieht nur weiter das Gesicht. Er geht schließlich ran. 07. WOHNUNG FRANK ----------------------------------------------------I / T Banuscha greift im WOHNZIMMER nach dem bimmelnden Handy auf dem Tisch. BANUSCHA STIMME ZORA BANUSCHANachdenklich blickt Banuscha nach gegenüber zu seinem tippenden Nachbar... STIMME ZORA BANUSCHA 08. PARK ---------------------------------------------------------------A / T Von der Sonne geblendet tritt Banuscha geduscht und in einem gut sitzenden Anzug,aber immer noch leicht benommen wirkend aus der S-Bahnunterführung. Zum Schutz gegen die Sonne hält er sich eine Hand an die Stirn und blickt sich um: Auf dem abgesperrten Wiesenstück links von ihm suchen DIE SPURENSICHER in ihren weißen Overalls das Parkgelände ab. Inmitten des Treibens steht etwas verloren der bullige Gerichtsmediziner GERD MINNACK (Ende 50). Die Fäuste in die breiten Hüften gestemmt, ist sein kahler runder Schädel nachdenklich zu Boden gerichtet. Eine Hand an der Stirn bahnt Banuscha sich einen Weg durch die Absperrung, grüßt im Vorbeigehen die Kollegen von der Spurensicherung, bis er bei Minack angelangt ist, der sich nachdenklich über seine Glatze streichend immer noch auf das Stück Wiese vor seinen Füßen starrt, auf dem vier kleine schwarze Spurentafeln mit den weißen Ziffern: 1, 2, 3 und 4 stehen. Ohne aufzusehen murmelt Minack: MINACK BANUSCHAMinack sieht Banuscha an – seine Augen wandern dabei nervös hin und her. MINACKBanuscha zuckt schweigend mit den Schultern. Minacks Augen wandern nervös hin und her. MINACK BANUSCHA MINACKBanuscha nickt, dann wischt er sich erneut mit dem Handrücken Schweiß von der Stirn, deutet auf das Stück Wiese mit den Spurentafeln vor Minack. BANUSCHA MINACKDie beiden Männer sehen sich an. BANUSCHA MINACK BANUSCHA MINACKBanuscha geht in die Hocke und betrachtet die Stelle. Das Gras drum herum ist platt gelegen. An ein paar Halmen neben dem schwarzen Täfelchen sieht er getrocknetes Blut kleben. Plötzlich steigt dem Kommissar ein vertrauter Geruch in der Nase. Er beugt sich dicht mit der Nase über den Boden und schnupperte über dem Gras. BANUSCHAMinack sieht den Kommissar fragend an. Der steht wieder auf. BANUSCHAMinack betrachtet Banuscha, dabei wandern seine Augen unruhig hin und her, bis sie plötzlich stehen bleiben und unterhalb von Banuschas Augen einen Punkt fixieren. MINACK BANUSCHAMinack machte einen Schritt auf ihn zu, um Banuschas Nase besser betrachten zu können. MINACKEr streckt einen Arm aus und tippt mit den Zeigefinger gezielt auf einen Punkt. Banuscha schreit vor Schmerzen auf und fasst sich an die Nase. BANUSCHA MINACKMinack sieht ihn fragend an, Banuscha weicht seinem Blick aus, sieht sich unwohl im Park um, sieht aus dem Augenwinkel ANKE KIESLING (Anfang 30) auf sie zusteuern. BANUSCHAPlötzlich dreht sich Banuscha um die eigene Achse, hebt theatralisch die Arme. BANUSCHABanuscha sieht Minack mit großen Augen an. Der reibt sich ratlos die Glatze. KIESLINGKiesling, seine hellblonde Assistentin, ist zu ihnen getreten. Gespielt überrascht dreht sich Banuscha zu ihr, als ob er sie noch gar nicht bemerkt hätte. Sie steht genau vor der Sonne, sodass er sich die Hand an die Stirn halten muss. Ihre großen blauen Augen mustern ihn forsch. KIESLINGBanuschas Augen wandern kurz über Kieslings Körper, dann zeigt er auf den Beutel in ihr ihrer Hand. BANUSCHASie hebt den Beutel hoch: Eine schwarze Sonnenbrille steckt darin. KIESLINGBanuscha betrachtet Kieslings kleinen süßen Mund, die feinen Äderchen die unter ihrer blassen, fast weißen Haut durchschimmern... FLASHBACK (Fortführung von Traumsequenz / Bild XX): 09. WOHNUNG KIESLING -----------------------------------------------I / N Im SCHLAFZIMMER: Banuscha kommt gerade zwischen den Beinen der sich orgiastischen auf dem Bett windenden Kiesling, steckt seinen Kopf zwischen ihre großen weißen Brüste, hält sich daran fest, leckt daran, während Kiesling sich unter ihm windet. 10. PARK ----------------------------------------------------------------A / T Kiesling steht immer noch süß lächelnd vor Banuscha, der sich nun erschrocken schüttelt. BANUSCHA KIESLING BANUSCHA KIESLINGKiesling blickte in Richtung der beiden schlaksigen Teenager (Malte, Tobi), die nervös dreinschauend bei einem Mannschaftswagen an der Uferpromenade stehen. KIESLINGBanuscha nickt stumm, blickt zu Spurentafel Nr. 2. BANUSCHA MINACKBanuscha zeigt auf die Spurentafel Nummer 4, die ein paar Schritte weiter neben einer milchigen Lache platziert ist. BANUSCHA MINACKDer Kommissar verzieht leicht angewidert das Gesicht, dann wendet er sich wieder seiner Assistentin zu. BANUSCHAKiesling nickt und holt einen Notizblock aus ihrer Tasche, schlägt ihn auf. KIESLING BANUSCHAEr sieht zu Minack, doch der blickt ungerührt. Banuscha blickt zu der Stelle im Gras und zuckt zusammen. DÉJÀ-VU aus Bild XX: 11. PARK -------------------------------------------------------------A / N Banuscha sieht Anna dort reglos mit verdrehten Gliedmaßen liegen, das lange schwarze Haar klebt verfilzt über ihrem blutverschmiertem Gesicht. 12. PARK --------------------------------------------------------------A / T Banuscha schüttelt sich – auf der Wiese liegt niemand. Er sieht zu Kiesling. BANUSCHA KIESLING BANUSCHA KIESLING BANUSCHA MINACK BANUSCHA KIESLING BANUSCHADamit macht sich der Kommissar auf den Weg über die Wiese zum Mannschaftswagen. Nach einem kurzen Zögern folgt Kiesling ihm. |